Mel Gibson und die Folter

Die Passion des männlichen Körpers

 Apocalypto habe ich bisher nicht gesehen, aber nach allem was über Mel Gibsons neuesten Film zu lesen war, blieb er seiner Vorliebe für die drastische Darstellung körperlicher Torturen des als Leidensobjekt inszenierten männlichen Körpers treu.
Auch das 2005 erschienene biblische Epos  The Passion of the Christ, bei dem er ebenfalls ausschließlich hinter der Kamera wirkte, zeigte deutlich, dass Gibson mit seiner die Verwundung und Verstümmelung des Fleisches zelebrierenden Inszenierung des Leidens die Schmerzgrenze des Mainstream-Publikums  überschreitet: The Passion of the Christ war vor allem wegen einiger schonungsloser Folterszenen heftig umstritten.

Schon als Schauspieler zeigte Mel Gibson eine deutliche Neigung, die seelischen Qualen seiner Figuren vor allem über körperliche Martern auszudrücken – kaum ein Film, in dem die von ihm verkörperten Gestalten nicht extremen Verletzungen und Quälereien ausgesetzt werden. Und dies in höherem Maße und oft auf ernsthaftere Weise als der Action-Film der achtziger und neunziger Jahre ohnehin die Krise männlicher Rollenmodelle so unterhaltsam wie demontierend an den Körpern seiner Protagonisten ausagiert – von First Blood über die Die Hard-Serie bis Fight Club hat der männliche “hardbody” einen so schmerzhaften wie weiten Weg in seinem Selbstverständnis zurückgelegt.

 

 

Körperqualen als „Lethal Weapon“ gegen seelischen Schmerz?

 

In den eigentlich als leichtgängige Action-Buddy-Movie-Serie daherkommenden Lethal Weapon-Filmen findet sich in der Figur des von Gibson gespielten Martin Riggs eine außergewöhnliche Intensität: Riggs ist – insbesondere im ersten Teil – ein Gemarterter, halb verrückt vor Schmerz über den Verlust seiner Frau. Natürlich sorgt deren Ermordung – wie auch im zweiten Teil der gewaltsame Tod der neuen Geliebten gleich nach der ersten gemeinsamen Nacht – für einen zusätzlichen Rache-Plot: Actionhelden müssen wütend und einsam sein. Das archaische Motiv des grausamen Verlusts geliebter Menschen gewährleistet dabei, dass der Held bereit ist alle Grenzen (Gesetze, Schmerzen, manchmal auch Moral) zu ignorieren und – vorwiegend über den Körper – ungeahnte Ressourcen an Kraft und Zähigkeit mobilisieren kann.
Entsprechend zeichnet Gibson Martin Riggs als Menschen voller Wut und Auflehnung gegen Schicksal und Tod, eine zerrissene und vor innerer Qual wild gewordene Seele, die nur im körperlichen Ausagieren ihrer Schmerzen Momente der Ruhe finden kann.

 

 

Grenzüberschreitungen: Liebe, Bindung und Verlust

Alle Teile von Lethal Weapon bieten nachdrückliche Inszenierungen des Körpers von Martin Riggs als Objekt von Verletzung und Folter, ebenso die Mad Max-Filme und in einem noch drastischeren Maße das von Gibson selbst inszenierte (und zutiefst von konservativer Moral erfüllte) Monumentalepos Braveheart

Gemeinsam ist den Hauptfiguren der genannten Filme (und etlichen weiteren Gibsonschen Leinwandgestalten) dabei auch, dass die Erfahrung gewaltsamen Verlusts dessen, was sie lieben (Frau, Familie, Heimat) die ihnen eingeschriebene wütende Intensität von Schmerz und Leiden begründet: Venus im achten Haus (dem Bereich der Grenzerfahrungen und des Todes) in Gibsons Horoskop zeigt sich hierfür als Entsprechung, während gleichzeitig ein sensibler und familiäre Geborgenheit suchender Krebs-Aszendent mit Mond im vierten Haus (das wiederum den Bereich der seelischen Heimat ebenso wie das Zuhause und die Familie symbolisiert) ein überdeutliches Echo der Betonung von familiären Bindungen bietet.


Der gequälte Körper als kreatives Medium

Der Bereich schöpferischer Selbstdarstellung und kreativer Kraft – das fünfte Haus im Horoskop – wird in Mel Gibsons Geburtshoroskop vom Zeichen Skorpion dominiert, also von der Qualität emotionaler Intensität, Grenzüberschreitung und dem Blick ins Abgründige. Hinzu kommt die Position der Planeten Mars und Saturn in diesem Haus – beide ebenfalls in Skorpion –, wobei bereits deren Konjunktion den Druck deutlich macht, der auf dem körperlichen Ausdruck von Männlichkeit und dem auf kämpferischer Aggressivität beruhenden Autoritätsanspruch lastet.

Saturn als Träger der Funktionen des Prüfens, der Reduktion und der Disziplinierung nimmt hier das archetypisch vorwärts drängende männliche Körperbild des Mars in die Zange. Im Zeichen Skorpion bekommt dieser Druck zudem eine quälerische und zwanghafte Komponente, die noch verstärkt wird von einem Quadrat zu Pluto. Der Druck, Männlichkeit und körperliche Durchsetzungskraft unter Beweis zu stellen entsteht – weil Saturn das 7.Haus beherrscht – aus der Begegnung mit dem Anderen, dem „Ich-Fremden“, das ebenso gut ein Liebespartner wie ein gefährlicher Gegner sein kann.


Männlichkeit zwischen Prüfung und zwanghaftem Leiden

So erklären sich auch die homoerotischen Untertöne, mit denen gerade in den Lethal Weapon-Filmen gern gespielt wird, während die Protagonisten gleichzeitig ihre Homophobie ausstellen (Mel Gibson, der in jüngeren Jahren in so manchem schwulen Schlafzimmer beliebtes Pin-up war und eine große schwule Fangemeinde hatte, trug sich mit unachtsamen Äußerungen mehrfach selbst den Vorwurf der Homophobie ein).

Angesichts zwischen den Schenkeln von Martin Riggs erstickter Männer, der lustvollen Inszenierung miteinander ringender Männerkörper (ein Vorgeschmack dessen, was Jahre später David Fincher in Fight Club auf die Spitze treibt) und Riggs’ opferbereiter und inniger Verbundenheit mit seinem Partner, dem er sich am Ende stets erschöpft und zerschlagen in die Arme fallen lässt, wird deutlich, dass „Männlichkeit“ hier nicht nur auf bestimmte – durchaus konventionelle – Weise definiert, sondern gleichzeitig verzweifelt gesucht und unter großem Druck hergestellt wird.

 

© Copyright 2007 Vesna Ivković