Die gefährliche Frau

Mehr als eine Femme fatale

Im Kino meist als männliche Angstlust-Phantasie der Femme fatale zu sehen (berühmte Beispiele bieten z.B. die Filme Double Indemnity, Body Heat, Basic Instinct), finden wir astrologisch die „gefährliche Frau“ oft als eine Verkörperung der Lilith – des sogenannten „Schwarzen Mondes“. Aber auch alle Verbindungen von Venus und Mond mit Skorpion- oder Widder-Qualität können ihr (entsprechend modifiziert) entsprechen. Den Aspekt der Macht und insbesondere der strengen Autorität ursprünglicher weiblicher Gottheiten, den Lilith ebenfalls in sich trägt können wir in schwächerer Form auch in Verbindungen von Venus oder Mond mit Steinbock-Energie entdecken.
Lilith (astronomisch ein bestimmter, sensitiver Punkt der Mondumlaufbahn), hat als Archetyp der „wilden Frau“ Einzug gehalten in die Astrologie: die Hexe, die Rebellin, die Kindsmörderin... Das Spektrum ist weit und beinhaltet alle gefährlich erscheinenden und beängstigenden Vorstellungen von Weiblichkeit, die sich in den Jahrhunderten patriarchalen Kampfes gegen weibliche Macht angesammelt haben.

 

Im Namen des Vaters?

Einen anderen, in den letzten Jahren im Kino häufiger anzutreffenden Anteil der „gefährlichen Frau“ repräsentiert der  Kleinplanet Pallas – hier finden wir die kämpferische „Vatertochter“, d.h. die Frau, die sich ebenso mit Schwertern, Schusswaffen und körperlicher Aggression, wie mit ihrem Geist und ihrem Wissen in männlich codierten Ordnungen durchsetzt. Die psychoanalytische Filmtheorie nennt diese Figur die „phallische Frau“ – die Frau, die sich männliche Attribute (Waffen, schnelle Motorräder, Polizei- oder Militäruniform – z.B. in G.I. Jane) aneignet und damit in vormals männliche Domänen eindringt.
Sie erscheint weniger fremdartig und daher auch weit weniger bedrohlich als die so schwer verständliche Lilith-Figur, denn wie die mythische Pallas Athena eine Kopfgeburt des Göttervaters Zeus ist, so sind auch die modernen Pallas-Verkörperungen – sie heißen zum Beispiel Lara Croft, Charlies Angel’s, Clarice Starling (Das Schweigen der Lämmer), Megan Turner (Blue Steel) etc. – stets einer Vaterfigur und damit der männlichen Sphäre verbunden.

 

Göttinnen der Liebe und des Krieges

Doch auch die „Vatertöchter” verschmelzen manchmal (z.B. in Kill Bill) mit jenem Bild der unbezähmbar wilden und – für den „männlich“ geprägten Geist unserer Zeit – so irrational, unverständlich und bedrohlich erscheinenden Raserei einer Artemis, Inanna, Kali oder Morrigan. Diese alten Göttinnen unterschiedlichster mythologischer Herkunft ähneln sich insbesondere darin, dass ihr göttlicher "Zuständigkeitsbereich" so scheinbar unvereinbare Themen wie sexuelle Liebe, Mütterlichkeit, Jagd, Krieg und Tod in sich vereinte...
Wo im Kino die bekannte Femme fatale diese Verknüpfungen von Sex und Gefahr, von Liebe und Tod nur selten mittels direkter Aggression und Gewalt zum Ausdruck bringt, berichten Zeugnisse der griechischen Antike von Mänaden und Bacchantinnen, die in sexueller Raserei Männer – nicht selten gar die eigenen Söhne! – in Stücke rissen.
Und in den Mythen jener ursprünglichen Muttergöttinnen, denen mitunter sterbliche Könige geopfert wurden, damit sie die Erde wieder fruchtbar werden ließen, finden wir die gleiche Leidenschaft für die Liebe wie für den Krieg. Artemis, Inanna, Kali, Morrigan... – sie alle sind anziehend und grausam zugleich, voll unerschöpflicher Freude und ebenso unendlicher Zerstörungslust, schön und schrecklich wie das Leben selbst, das sie verkörpern.

 

Erweiterung von Geschlechterkonzepten

In diesen Gestalten finden wir das Geheimnis unserer Faszination für die Verbindung von Sex und Gewalt, sie sind die Verkörperungen der beiden Pole existentiellen Erlebens, Freude und Schmerz, sie vereinen die so nahe beieinander liegenden menschlichen Grenzerfahrungen von Liebe und Tod in ihrem so hingebungsvollen wie kriegerischen Sein.
Wenn zeitgenössischen Kinoheldinnen zunehmend der Gebrauch von Waffen und Gewalt zugestanden wird, auch ohne diesen stets durch moralische oder psychologische Rechtfertigungen zu legitimieren (seltene Beispiele hierfür sind Basic Instinct, Matador, mit Einschränkungen Ultraviolet), scheint diese Entwicklung an die genannten ursprünglichen Bilder archetypischer Weiblichkeit anzuknüpfen. Vielleicht lässt das darauf hoffen, dass Attribute wie Aggressivität, Gewalt, Macht und Autorität zurückfinden in die Konzepte von Weiblichkeit und damit eine Jahrtausende währende Beschränkung der Geschlechterdualität aufzubrechen beginnen.

 

© Copyright 2007 Vesna Ivković